Die Herausforderungen für unser Sehen: Blinder Fleck versus Gelber Fleck, fokussiertes versus peripheres Sehen

Wie unser Gehirn verblüffende menschliche Sehschwächen unserer Augen ausgleicht.

Die Evolution hat im Laufe der letzten geschätzt über 500 Millionen Jahren aus einem einfachen lichtempfindlichen Fleck eine unglaubliche Vielfalt an unterschiedlichen Augen entwickelt. Ein großer Schritt, denn ein sehender Organismus ist einer blinden Spezies weit voraus. Bis heute sind sich die Forscher uneinig, ob diese Vielfalt aus einem einzigen Urauge heraus entstanden ist oder das Auge viele Male unabhängig voneinander entstanden ist. Ganz nach den Bedürfnissen des jeweiligen Lebewesens: Flachaugen, Grubenaugen, Lochaugen, Facetten- oder Komplexaugen bis hin zu den Linsenaugen der Wirbeltiere und des Menschen. Letztere zählen zu den leistungsfähigsten Sehorganen, die die Evolution bislang hervorbrachte. Hell und scharf zu gleich wurde mit der Entwicklung des Linsenauges das Abbild der Umwelt. Doch auch das menschliche Auge hat seine evolutionstechnischen Schwächen…

Beim menschlichen Sehen spielt unser Gehirn im Zusammenspiel mit unseren Augen eine mehr als tragende Rolle. Es gleicht die Schwächen, die unser Auge hat, scheinbar unbemerkt und mühelos aus. Teamwork erster Güte.

Als sich das Linsenauge der Wirbeltiere – somit auch unser menschliches Auge – entwickelte, passierte dies eigentlich fehlerhaft. Anders als beispielsweise bei den Tintenfischen, die mit einem hoch entwickelten Blasenauge mit Linse ausgestattet sind, welches aus einer Einstülpung der Außenhaut entstand, wurde unser Auge „zufällig“ anders erschaffen. Dabei stülpte sich eine Blase aus dem Hirngewebe aus. Auf den ersten Blick kein großer Unterschied. Vielmehr ein Vorteil, denn bei gleicher Augengröße passen so mehr Sinneszellen ins Auge. Doch unsere Lichtsinneszellen liegen auf der Netzhaut falsch herum und weisen ins Körperinnere. Hingegen weisen unsere Nervenzellen zur dem Licht zugewandten Seite. So sehen wir eigentlich auf dem Kopf, und unser Gehirn schafft erst die richtige Perspektive. Außerdem besitzen wir und die Wirbeltiere aus diesem Grund einen sogenannten Blinden Fleck.

Der Blinde Fleck

Genau dort, wo sich in unseren Augen – rechts wie links – der Blinde Fleck befindet, bündeln sich alle Nervenzellen des Auges und gehen durch die Netzhaut ins Gehirn. Man könnte sagen, dass die Pipeline der Nervenzellen, der Sehnerv, ein Loch auf der Netzhaut produziert, das durch das dortige Fehlen der Lichtrezeptoren keine Abbildung produzieren kann. Für diese Gesichtsfeldregion stellt sich das als Blinder Fleck dar. Die Fachleute nennen diesen Konstruktionsfehler „Inverses Auge“. Dieser liegt in beiden Augen ca. 15° nasal der Stelle des schärfsten Sehens. Der gesunde Mensch bemerkt diese fehlende Sehinformation nicht, da unser Gehirn die fehlende Abbildung einfach logisch vervollständigt – unauffällig aus den umliegenden Seheindrücken, den vorhandenen Sehinformationen des anderen Auges und der Verrechnung der unterschiedlichen Abbildungen aufgrund der Augenbewegung.

Der Blinde Fleck wurde von Edme Mariotte, einem französischen Naturforscher, im Jahr 1660 entdeckt.

Der Blinde Fleck



1. Blinder Fleck           2. Gelber Fleck
3. Sehnerv                 4. Bindehaut
5. Hornhaut                6. Augenkammer
7. Pupille                    8. Regenbogenhaut
9. Linse                     10. Ringmuskel
11. Glaskörper            12. Lederhaut
13. Choroid                14. Aderhaut

 

So erleben Sie Ihren Blinden Fleck

Demonstration of the blind spot

Sie können allerdings Ihr Gehirn überlisten und einen Sehversuch starten, um den Blinden Fleck zu „sehen“:

So geht’s:
Halten Sie sich das linke Auge zu, und fixieren Sie mit dem rechten Auge den Punkt links. Starten Sie am besten mit dem doppelten Abstand, der sich aus einem Sehabstand zwischen dem Punkt und dem Zentrum des Gitters auf Ihrem Bildschirm ergibt. Nun entfernen Sie sich ganz langsam mit dem Kopf von Ihrem Bildschirm. An einem bestimmten Punkt wird sich das Muster des Gitters im Zentrum vervollständigen. Dort ist der Blinde Fleck. Die fehlende Information wird genau hier durch das Gehirn scheinbar berichtigt.

Der beste Kumpel des Blinden Flecks: der Gelbe Fleck

Jedes Auge hat neben einem Blinden Fleck einen Bereich auf der Netzhaut, der am besten sieht: der sogenannte Gelbe Fleck oder die Papille. Dort befindet sich die höchste Dichte an Rezeptoren, d.h. Sehzellen. Die Sehgrube (Fovea Centralis) befindet sich in der Mitte des Gelben Flecks und ist der Ort des schärfsten Sehens.

Nachts sind alle Katzen grau

Tiere, die nachts gut sehen müssen, haben meist große Augen – Eulen, Koboldmakis oder auch Katzen, die noch dazu über eine spezielle Netzhaut verfügen, die eine lichtreflektierende Schicht enthält. So gelangt mehr Licht auf die Netzhaut. Die Augen nachtaktiver Jäger sind anders gebaut als das Menschenauge. Nachtaktive Tiere haben im Vergleich zu uns tagaktiven Menschen viel mehr Stäbchen (wichtig für die Helligkeitswahrnehmung) als Zapfen (entscheidend für die Farbwahrnehmung).

Unsere Zapfen sind folglich für unser Farbsehen entscheidend. Wir besitzen davon drei Arten, die entweder auf Rot, Blau oder Grün sensitiv reagieren – entsprechend der speziellen Wellenlänge des Tageslichts. Weil die Lichteinstrahlung der drei Farbwellenlängen in der Nacht fehlt – somit die Farbinformation –, sind nur noch unsere Stäbchen aktiv. Das Sehen bei Nacht erscheint für uns grau.

Warum wir in Wahrheit nicht starren

Jedes Lebewesen hat das Auge, das es verdient, so könnte man sagen. Stehen Tiere beispielsweise auf dem Speiseplan von Raubtieren, ist es für ihr Sehen wichtig, rundherum den Durchblick zu wahren. Somit sind beispielsweise bei Hasen oder Rehen die Augen seitlich am Kopf. Leider geht dies auf Kosten des räumlichen Sehens.

Wir Menschen können durch die frontale Anordnung unserer Augen sehr gut räumlich sehen, allerdings haben wir nicht den rechten Rundumblick, den wir scheinbar nicht mehr benötigen.

Wussten Sie aber, dass wir eigentlich nicht starren, wenn wir ein Objekt fokussieren? Auf unserer Netzhaut reagieren unsere Sehzellen ausschließlich auf sich verändernde Lichtverhältnisse. Wenn wir starren würden, würde das unbewegte Bild anfangen zu verblassen. Auch hier hat die Natur vorausgedacht: Unsere Augen führen aus diesem Grund permanent und von uns unbemerkt kleinste Bewegungen aus, damit wir den Fokus nicht verlieren und herumstehende Dinge gleichzeitig bemerken. Somit wandert unser Blick in Mikrobewegungen (Sakkaden) ständig umher, auch wenn unser Blickfeld nahezu unverändert bleibt.

Fokussiertes Sehen versus peripheres Sehen

Im Unterschied zum zentralen, fokussierten Sehen ist das periphere Sehen eine weitere wichtige Form unseres Sehens. Das periphere Sehen liefert uns eine erste Einschätzung, einen Gesamteindruck, bevor wir fokussiert schauen. Es muss also anders funktionieren. Weit über 90% unseres Gesichtsfeldes deckt das periphere Sehen ob, obwohl ihm nur ca. 50% der Sinneszellen insgesamt zur Verfügung stehen. Salopp gesagt müssen da Seheindrücke auf der Strecke bleiben. Unser peripheres Sehen ist daher bei Weitem nicht so hoch auflösend. Bewegung sehen wir allerdings in den Peripherien wesentlich besser. Denn nach wie vor ist es wichtig, evtl. drohende Risiken frühzeitig wahrzunehmen.

Peripheres Sehen und Brillengläser

Peripheres Sehen und Brillengläser

Das weiß jedes Kind: Klappt das Scharfsehen nicht mehr, helfen uns Brillengläser, um unsere Sehschwäche wieder auszugleichen. Nun ist es die hohe Kunst der Herstellung von Brillengläsern, mit den sogenannten Brillenglasdesigns nicht nur wieder scharf fokussiert geradeaus blicken zu können, sondern ebenso ein entspanntes Sehen zu den Seiten zu erzielen. Zur Berechnung der Brillengläser benötigt es daher viel Mathematik und optisches Knowhow. Das Ziel ist es, dass der Brillenträger mit der neuen Brille in der Peripherie möglichst nicht anders sieht als mit dem freien, unkorrigierten Auge. Eine Herausforderung insbesondere bei der Fertigung von Gleitsicht- oder Sportbrillen mit gebogenen Brillengläsern.

Wussten Sie, dass nicht das fokussierte Sehen über die Eingewöhnungszeit von Gleitsichtgläsern durch die einzelnen Sehbereiche für Nahsicht, Fernsicht und im Übergangsbereich entscheidet, sondern das veränderte periphere Sehen? Dieses kann verzerrt wirken und uns zu Beginn verunsichern. Doch keine Sorge – auch hier lernt unser Gehirn und adaptiert das neue Sehen, so dass man nach einer kurzen Eingewöhnungszeit die Peripherie als ganz „normal“ wahrnimmt.

Dafür sind allerdings zwei Dinge wichtig:

  1. Lassen Sie sich gut von Ihrem Augenoptiker beraten, welche Gleitsichtgläser für Sie am besten geeignet sind.
  2. Tragen Sie Ihre neue Gleitsichtbrille von Beginn an nahezu immer – gerade dann, wenn Sie sich viel bewegen. So lernt Ihr Gehirn viel schneller, sich an die neue Sehsituation zu gewöhnen.
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